Adipositas: Es braucht dringend neue Ansätze, um die Zivilisationskrankheit in den Griff zu bekommen

Fotocredit: Johann Maria Kressin

Über 60 Teilnehmer:innen kamen am 10. Juli auf Einladung der Apotheken Umschau zum Parlamentarischen Frühstück „Adipositas – eine politische Herausforderung“ ins Berliner Café Einstein. Vertreter:innen aus Medizin, Forschung, Wirtschaft, Krankenkassen und Interessensverbänden sowie Betroffene diskutierten mit Politiker:innen darüber, welche strukturellen Reformen in Versorgung und Prävention nötig sind.

Fast jede:r vierte Erwachsene in Deutschland ist adipös. Entgegen der wissenschaftlichen Evidenz wird massives Übergewicht nach wie vor als individuelles Versagen wahrgenommen und nicht als erklärbare chronische Krankheit. Das zeigt sich im Umgang mit Betroffenen, spiegelt sich allerdings auch in den Ansätzen zur Prävention wider sowie in Forschung und Versorgung. Adipositas ist aber kein individuelles Problem. Sie ist gesellschaftlich, politisch und medizinisch hochrelevant – und es braucht dringend neue Ansätze, um die Zivilisationskrankheit in den Griff zu bekommen. 

„Vorurteile prägen die Debatten über Adipositas: Dicke Menschen gelten als dumm, faul und willensschwach. Das Problem: Es stimmt nicht. Das zeigt auch die medizinische Evidenz. Dennoch ruhen sich Gesellschaft und Politik auf dieser Erzählung aus”, eröffnete Dr. Dennis Ballwieser, Chefredakteur der Apotheken Umschau und Betroffener, die Veranstaltung. Eine Diskussion darüber, welche strukturellen Reformen in Versorgung und Prävention nötig sind, wie Entstigmatisierung gelingen kann und wie man die Lebensmittelindustrie als Partner gewinnen kann – das war das Ziel des Parlamentarischen Frühstücks der Apotheken Umschau. 
Wie komplex und vielschichtig das Thema ist, zeigt auch die monothematische Ausgabe der Apotheken Umschau zu Adipositas, die am 1. August 2025 erscheint. „Mit dieser Ausgabe legen wir das Thema Adipositas millionenfach in die Apotheken und sprechen darüber, was sich ändern muss, damit Betroffenen endlich geholfen wird“, so Ballwieser. 

„Bewegung und gesunde Ernährung sollen Spaß machen – das müssen wir Kindern und Jugendlichen so früh wie möglich vermitteln. Deshalb ist es essenziell, niedrigschwellige Angebote für Familien zu schaffen“, erklärte Dr. Johannes Nießen, Kommissarischer Leiter des Bundesinstituts für öffentliche Gesundheit.

„Hochverarbeitete Lebensmittel sind maßgeblich an der Entstehung von Adipositas beteiligt und die Folgekosten müssen in den Preisen einberechnet werden. Wir brauchen eine starke Steuererhöhung auf ungesunde Lebensmittel und eine Subventionierung von gesunden Lebensmitteln. Das ist der Hebel, den wir brauchen – und der muss spürbar sein“, forderte Dr. Tobias Effertz, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Hamburg.

„Adipositas tut weh. Sie tut körperlich weh, aber sie tut auch seelisch weh. Viele Betroffene sind verzweifelt – und leiden mehr denn je. Denn: Nun gibt es endlich Medikamente, aber viele können sie sich nicht leisten“, sagte Christel Moll, Erste Vorsitzende Adipositas Verband Deutschland e. V. und Betroffene. 

Speaker:innen beim Parlamentarischen Frühstück „Adipositas – eine politische Herausforderung“: 

  • Jana Crämer (Autorin und Betroffene)
  • Marion Rung-Friebe (2. Vorsitzende des Adipositas Verband Deutschland und Betroffene)
  • Prof. Dr. Christina Holzapfel (Ernährungswissenschaftlerin und Professorin für Humanernährung an der Hochschule Fulda und der TU München)
  • Luise Molling (Campaignerin foodwatch e. V.)
  • Dr. Johannes Nießen (Kommissarischer Leiter des Bundesinstituts für öffentliche Gesundheit)
  • Dr. Burkhard Rodeck (Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V.)
  • Simon Hilber (Referent Gesundheitspolitik, Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen e. V.)
  • Anke Rüdiger (Stv. Vorsitzende Deutscher Apothekerverband)
  • PD Dr. Tobias Effertz (Wirtschaftswissenschaftler, Universität Hamburg)
  • Michael Henrich (Geschäftsführer Politik, Pharma Deutschland e. V.)
  • Andrea Galle (Vorständin mkk Krankenkasse)
  • Prof. Dr. Jürgen Ordemann (Chefarzt des Zentrums für Adipositas und metabolische Chirurgie im Vivantes Klinikum Spandau)
  • Dr. Dennis Ballwieser (Chefredakteur der Apotheken Umschau)

Organisiert wurde das Parlamentarische Frühstück von der Vita Health Media, einem Tochterunternehmen der Wort & Bild Mediengruppe. 

Fotocredit: Johann Maria Kressin

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